Sonntag, 6. November 2011

Clean Clean Clean

Als ich Anfang August hier angekommen bin und mein Zimmer bezogen habe, hat mir leider niemand gesagt, wie das hier im Hostel so abläuft. Deswegen stand ich an meinem ersten Sonntag hier in Indien senkrecht im Bett als morgens früh um sieben Uhr jemand an meiner Tür klopfte. Erst dachte ich, dass ich mir das eingebildet habe, denn wer sollte denn um diese früh mittägliche Uhrzeit an einem normalen Werktag was von mir wollen? Es klopfte nochmal. Geklapper an meinem Türriegel. Es hörte sich ganz so an, als ob jemand mein "Türschloss" zu einem alten, längst vergangenen Türklopfer umfunktioniert hatte. Zudem kamen noch rücksichtslose, vehemente, unverständliche Gespräche und Gesprächsfetzen, die in den langen Gängen noch Stunden danach widerhallten als ob sie mich immer wieder daran erinnern wollten, dass ich hier zum Studieren bin und nicht zum Schlafen.
Ich stand kurz davor aus meinem erst wenige Stunden zuvor mühevoll errungenem Schlaf zu erwachen, als es vor der Tür wieder ruhiger wurde. Sollte mir recht sein, sollen doch alle einfach verschwinden und mich in meinem von der Sonne hell erleuchtendem Zimmer weiter schlafen lassen. Die Grenze zum Traumland lag so nah, ich hab mich schon auf den höchsten Wolken ein leckeres Schnitzel mit Champignonrahmsoße und Spätzle essen sehen, doch kurz bevor ich auch nur einen Fuß darüber setzen und einen Atemzug voll entspannter, surrealer Traumluft nehmen konnte, klopfte es wieder an der Tür. Diesmal so penetrant und hochfrequent, dass ich dachte, das ganze Hostel, nein, ganz Indien brennt gerade ab. Mit vor Todesangst rasenden Puls bin ich zu meiner Tür geeilt, die Augen noch teilweise vom indischen Sandmännchen versiegelt und die Haare in alle Richtungen stehend, habe ich schnell die Riegel zur Seite geschoben und die Tür aufgerissen.

Von vorne nach hinten: Ein Mitglied der Beseneinheit, der General und die Badputzeinheit


Entgegen all meiner Erwartungen rannten keine Feuerwehrmänner mit dicken Wasserschläuchen durch den Gang, keine hysterisch flüchtenden Studenten, es waren auch keine Rauchschwaden zu sehen und die "Feuerlöscher", die seit vier Jahren abgelaufen waren und schon lange keinen Löschschlauch mehr haben, hingen weiterhin friedlich und unberührt an der Wand.
Jedoch stand eine kleine Inderin mit einem Besen vor mir und schaute mich mit großen Augen an und sagte immer wieder das gleiche Wort: "Clean, clean, clean..." Nachdem mein Körper wieder volle Kontrolle über meine Augen erlangt hatte, konnte ich das Bild vor mir etwas schärfer stellen: Es war nicht nur eine, nein, es waren fünf mit Schrubbern, Besen und Lappen bewaffnete Frauen, die entweder auf die "India PutzExpo 2011" oder wohl irgendwas mit meinem Zimmer anstellen wollten. Mein Kopf war total überlastet, ich konnte die Bilder und die Geschehnisse nicht einordnen und nicht entscheiden, was ich jetzt machen soll. Doch die Entscheidung wurde mir im nächsten Moment auch schon abgenommen, denn sie kamen alle unaufgefordert herein und legten los.
Da ich nicht mit Besuch gerechnet habe und ich auch noch nicht ansatzweise gewusst habe, ob ich meinen Koffer überhaupt auspacken und hier bleiben sollte, lagen in meinem Zimmer jede Menge Klamotten und Privates herum.
Doch das hat den "Clean-Trupp" nicht im Geringsten gestört, denn sie fingen an auszuschwärmen:
Zwei von ihnen machten sich an meinem Bett zu schaffen und haben neue Laken aufgezogen. Zwei andere haben mit viel zu kurz geratenen Besen das Zimmer "gekehrt". Okay, die bessere Formulierung wäre wohl, sie haben versucht zu kehren und haben stattdessen den Staub einfach nur aufgewirbelt. Gut, das Ergebnis ist kurzfristig das gleiche: Der Dreck ist weg und was ich nicht sehe, ist nicht da. Nachdem die ersten Schwadronen wieder wortlos abgezogen sind, kamen die anderen beiden Frauen und haben mit einem Mopp das Zimmer gewischt. Ja, richtig. Ein Mopp und zwei Bediener, das können nur die Inder. :) Es muss ja einer da sein, falls jemand spontan ausfällt. Später hab ich gesehen, dass mit diesem Mopp das ganze Hostel geputzt wurde, ohne dass er zwischendurch mal ausgewaschen wurde. Das erklärt auch, warum der Boden danach auch irgendwie dreckiger wirkte, als vorher.

Der Mülleimer wird auch jeden Monat geleert

Ich wollte schon meine Zimmertür schließen und mich wieder dem guten Essen in meinem Traum widmen, als zwei Männer mit großen gelben Gummihandschuhen in der Tür standen und nach kurzem zögern auch einfach herein kamen. Klar, warum auch fragen, es ist ja alles so selbstverständlich und offensichtlich im Meister-Proper-Look Sonntag früh um sieben bei einem Austauschstudenten, der seit vier Tagen hier ist,  in der Tür zu stehen und das Badezimmer putzen zu wollen. Ich ließ einfach alles geschehen. Ich wollte gar nicht wissen, was die Beiden in meinem Bad anstellten, nachdem ich gesehen habe, wie der Boden gewischt wurde. Nach einigen langen Minuten waren sie auch schon fertig und "Der General", ein weiterer Inder, der wohl auf den Putztrupp aufpasst, stand in meiner Tür und wollte meine Unterschrift in einem Buch. Ich wollte noch fragen, ob dass die Erklärung ist, dass ich keinerlei Ansprüche auf eine Verbesserung des Wohngegenstandes zu erwarten habe, sobald sie hier waren. Habe es aber dann gelassen und stillschweigend unterschrieben.

Nachdem ich recht schnell eine Sauberkeitsbilanz aufgestellt hatte, hatte ich den Entschluss gefasst in Zukunft selber zu putzen. Seitdem kommen sie zwar immer noch am ersten Sonntag jedes neuen Monats früh um sieben, aber sie bringen mir nur noch ein frisches Handtuch und frische Bettwäsche. Den Rest mache ich gerne selber. :)

Die Bilder sind jetzt nicht sonderlich aussagekräftig. Ich versuche, dass ich noch ein Gruppenbild vom Putztrupp bekomme. :)

Frisch, von mir überzogenesBett



Nachtrag
Hab heute ein Bild vom Putztrupp gemacht, wie sie die Böden im Hostel putzen






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